SIGNAL IDUNA Logo
Kapitalmarkt & Aktuelles

Marktkommentar: Edelmetalle

Das Blut kehrt in den Kopf zurück

Nico Baumbach 03.09.2020 5 Min Lesezeit

Zusammenfassung

  • Marktteilnehmer waren und bleiben rational
  • Zinsmarkt sorgt für Stabilität
  • Value-Anleger entdecken Minenwerte

Im bisherigen Verlauf des Jahres hatten Marktbeobachter wiederholt Gelegenheit, an der Rationalität am Goldmarkt zu zweifeln. Als im Frühjahr die Pandemie immer weitere Teile der Welt zu erfassen begann und die Lockdown-Maßnahmen in zahlreichen Ländern in die wirtschaftlichen Abläufe eingriffen, stieg der Goldpreis nicht, wie erwartet, steil nach oben. Nein, er fiel sogar über kurze Strecken. Und in den vergangenen Wochen, als die Stimmungsindikatoren der Weltwirtschaft erste Erholungen zu attestieren begannen, reagierte das Krisenmetall nicht mit einer Seitwärtsbewegung oder gar einem Rückgang, sondern setzte zum Sprung über die Marke von 2.000 US-Dollar je Feinunze an.

 

Doch beide Entwicklungen waren bzw. sind durch hohe Rationalität gekennzeichnet. So war es im Frühjahr angesichts der relativen Stabilität, die der Goldpreis gegenüber anderen Assetklassen, insbesondere Aktien, zeigte, eine durchaus schlüssige Reaktion, die eigenen Goldpositionen zu reduzieren und sich der Schnäppchenjagd in anderen Marktsegmenten zu widmen. Denn keine andere Assetklasse ist weltweit zeitzonenunabhängig so fungibel wie die der Edelmetalle und hier zuvorderst Gold als deren liquidester Vertreter.

 

Eine natürliche Reaktion auf die Kreditausweitung

 

Im Zuge der ausgerufenen Rettungsmaßnahmen hat sich die Käuferbasis für Gold dann deutlich verbreitert. Denn auch bei denjenigen, die im Frühjahr noch zu keinen rationalen Entscheidungen fähig waren, kehrte im Sommer das Blut in den Kopf zurück. Und so wuchs und wächst die Erkenntnis, dass die konzertierten Aktivitäten von Regierungen und Notenbanken nicht folgenlos bleiben werden. Der Versuch, dem Arbeitsmarkt Anpassungen zu ersparen und Unternehmen flächig vor der Insolvenz zu bewahren, indem man den Geld- und Kreditmarkt noch stärker aufpumpt, muss langfristig scheitern. Insofern ist es folgerichtig, sich in Edelmetallen zu engagieren. Auch wird das Realzinsniveau im US-Dollar – ähnlich wie im Euro – infolge der massiv verstärkten Verschuldungssituation auf Jahre hinaus niedrig bleiben, weswegen Goldhaltung kaum durch Zinsverzicht bestraft werden wird.

 

Dass Silber von der zweiten Welle der Rationalität ebenfalls profitiert hat, war mit Blick auf das preisliche Missverhältnis zu Gold überfällig. Eine Gold-Silber-Ratio von 125 war extrem hoch, wenn man weiß, dass der bisherige Höchstwert bei 100 lag und das langjährige Mittel bei etwa 60. Daneben aber hat auch die eingangs skizzierte Erholung bei den konjunkturellen Stimmungsindikatoren Silber, aber ebenso Platin und Palladium geholfen.

 

Minenaktien als Value-Investment

 

Die beeindruckenden Preissteigerungen bei Silber und Gold haben sich lehrbuchmäßig auch auf ihre Produzenten, die Minenbetreiber, ausgewirkt. Deren Aktien sind in den vergangenen Wochen ebenfalls signifikant nach oben geschossen. Und auch hier hat sich der Kreis der Investoren verbreitert.

 

Einstmals als spekulatives Nischeninvestment verschrien, haben nun Value-Investoren – zuvorderst Warren Buffett – den Weg in dieses Segment gefunden. Dass die Ikone aus Omaha sich dabei mit Barrick Gold für ein Unternehmen entschieden hat, dessen ESG-Status aufgrund der Verletzung von Menschenrechten angeschlagen ist, ist in einer Industrie, die bereits Landschaften und Umwelt so stark beeinträchtigt, bedauerlich. Der Preisentwicklung der großen Minenindizes wird das keinen Abbruch tun. Sie werden dem Gold- bzw. Silberpreis folgen. Doch ein zweiter Lockdown, der in ihre Produktionsabläufe eingreift, könnte sie bremsen.

 

Auf Seiten der Edelmetalle selbst sehe ich hingegen mittel- bis langfristig nur wenig Rückschlagpotentiale. Sicherlich wird es zu den hier üblichen zwischenzeitlichen Korrekturen von 10 bis 20 Prozent kommen. Aber das ist kein Zeichen einer Trendumkehr. Leider – muss man sagen. Denn letztere wäre Ausdruck einer stabileren Finanz- und Wirtschaftspolitik. Und das wäre in unser aller Sinne.

Weitere Artikel finden Sie hier